Plan N

“Sehr geehrte Regierungsvertreterinnen und -vertreter,
sehr geehrte Delegierte,
sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger, die ihre Sorge um unser aller Wohl nicht länger verbergen können…”

Krats Blick fixierte die Kameras in der Ferne.

“… sehr geehrte Mitmenschen,

unsere Erde glüht, sie qualmt, sie brennt. Wahrscheinlich wird sich niemand von Ihnen…”

Theodor N. Krat wies mit einer routiniert ausladenden Geste seiner linken Hand auf mehrere menschengefüllte Stuhl-Reihen direkt vor ihm. Frauen und Männer in leichten Hemden, einige davon auch hochgekrempelt, da die Sonne durch die Glasfront des Atriums stach, blickten nahezu regungslos von dort zu ihm auf. Die Kameraobjektive reflektieren aus unterschiedlichen Winkeln das Sonnenlicht zur Bühne. In der Ferne jammerte ein Kind auf, das jedoch sofort durch seine Eltern oder die kathedrale Stille des überfüllten Saales wieder verstummte. Zwischen den Stühlen war der schwarze raue Teppichboden kaum zu sehen, da viele Leute so auf dem Boden Platz genommen hatten, dass ihre Knie, Hände und Rücken gegeneinander drückten. Krat nutzte den verbliebenen Schwung seiner Hand, um die bereits fest sitzende randlose Brille ein unmerkliches Stück tiefer auf sein Nasenbein zu drücken. Er blickte auf das platzsparend beschriebene Papier vor ihm, doch seine Augen lasen die abgedruckten Worte nicht. Er hob seinen Kopf und ließ seine stahlgrauen Augen durch seine Brillengläser über die erstarrte Menschenflut fahren. Vorsichtig schoben einige Personen im Saal ihr Gewicht von der einen auf die andere Seite mit der Folge, dass andere sich gezwungen sahen es ihnen gleich ihnen gleich zu tun. Eine so frühe Pause kam unerwartet.

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