Altgermanische Dichtung

Kenningar

Eine mehrgliedrige bildhafte Beschreibung, z. B.

  • Wellenross für Schiff
  • Himmelskerze für Sonne
  • Bienenwolf für Bär (entspricht möglicherweise altenglischem Beowulf)

Heiti

Eine eingliedrige bildhafte Beschreibung, z. B.

  • Eber für Fürsten
  • Gieriger für Feuer

Stabreim

Alliteration in germanischen Versmaßen

Germanische Versmaße

Langzeile

  • eine Langzeile besteht aus An- und Abvers, getrennt durch die Zäsur
  • pro Halbzeile zwei (stark) betonte Wörter
  • im Anvers stabt das erste oder das zweite betonte Wort oder beide zusammen
  • im Abvers stabt immer das erste betonte Wort, das zweite nie
  • die Anzahl der unbetonten Wörter im Ab- und Anvers ist beliebig
  • alle Vokale staben miteinander (manchmal erklärt mit Glottischlag als Konsonanten, siehe unten)
hiltibrant enti haðubrant, untar heriun tuem      
Hildebrand und Hadubrand, zwischen Heeren zweien

Fornyrðislag

Das Fornyrðislag unterscheidet sich von der Langzeile durch seine Strophenform. In den frühsten germanischen Langzeilen war eine Zeile meist auch ein vollständiger Satz. Im Fornyrðislag sind Sätze über vier Zeilen keine Seltenheit. Oft geht man sogar noch darüber hinaus.

Ár var alda, þar er Ýmir bygði,
vara sandr né sær, né svalar unnir,
jörð fannsk æva, né upphiminn,
gap var ginnunga, en gras hvergi

Ljóðaháttr

Tritt in der Edda vor allem bei Spruch- und Merkdichtung auf. Der wesentliche Unterschied zur Langzeile besteht in der strophischen Form, die jeweils eine Langzeile und eine stabende zäsurlose Zeile kombiniert.

Hjarðir þat vitu, nær þær heim skulu
ok ganga þá af grasi;
en ósviðr maðr, kann ævagi
síns of mál maga.

Herden wissen’s, wann sie heim müssen,
und gehen dann vom Gras;
aber der unkluge Mann, kennt niemals
seines Magens Maß.

Dróttkvætt

Das Hauptversmaß der skaldischen Dichtung (mit einem Anteil von über 80% an allen 20.000 Zeilen). Dróttkvætt besteht es aus zwei stabreimenden Langzeilen (also vier Halbversen), die zusammen eine Strophe bilden. Die Verse besteht meist aus Trochäen, aber auch andere Versmaße treten auf. Dazu kommen weitere strenge Regeln:

  • jeder Halbvers muss einen trochäischen Versschluss haben, d. h. der Vers endet mit einem zweisilbigen Wort dessen Versfuß fallend ist (—◡).
  • jeder Halbvers ist sechsgliedrig. Normalerweise bedeutet dies, dass er aus sechs Silben mit drei Betonungen besteht. Dies läuft in der Praxis häufig auf drei Trochäen hinaus.

Gerade und ungerade Verse werden unterschieden. Im geraden Anvers gilt:

  • zwei der betonen Silben staben immer
  • zwei der betonen Silben reimen konsonantisch mit unterschiedlichem Vokal (skothending) z. B. Watt und nett aber nicht zwangsläufig am Wortende z. B. Wasser und essen; normalerweise ist eine davon die vorletzte.

Im ungerade Abvers gilt:

  • das erste Wort des Abverses muss immer staben (in der Langzeile konnten unbetonte Wörter vor dem ersten Stab stehen)
  • zwei der betonten Silben reimen (aðalhending) nicht zwangsläufig am Wortende z. B. mutig und akut; normalerweise ist eine davon die vorletzte.

Hlýð mínum brag, / meiðir
myrkblás, / þvít kank yrkja,
alltíginn / – mátt eiga
eitt skald – / drasils tjalda.

Stabreime sind fett und Binnenreime kursiv.

Glottisschlag

Der stimmlose glottale Plosiv oder Glottisschlag ist ein Konsonant, der durch die plötzliche, stimmlose Lösung eines Verschlusses der Stimmlippen gebildet wird. Mit Hilfe dieses Konsonanten können wir verreisen (ohne) von vereisen (mit) unterscheiden.

Andere Bezeichnungen sind Knacklaut, Stimmritzenverschlusslaut, Glottisverschlusslaut, Einschaltknack, Kehlkopfverschlusslaut, Glottalstopp.

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